Mar­tin Baltscheit legt ein groß aufgemacht­es, textlich kleines Buch vor, das ein ziem­lich­er Must-have für Väter von Töchtern ist, die gerne vor­lesen. Dementsprechend ist die Ziel­gruppe klein, die Geschichte aber ganz wun­der­bar: Der Papa liest sein­er kleinen, her­anwach­senden Tochter Geschicht­en vor, mal laut, mal leise, immer ein­genom­men von der Geschichte. Manch­mal ver­ste­ht sie die Geschichte, manch­mal nicht, manch­mal hört sie gar nicht zu. Und am Ende seines Lebens liest sie ihm Geschicht­en vor.

Mar­tin Baltscheit, Papa liest vor!, 48 Seit­en, dtv, 2023, 16€

Ted und Nan­cy sind zwei Jung­wölfe, die sich in der Großs­tadt alleine ohne ihre Eltern durch­schla­gen. Als Ted eines Tages verse­hentlich den Schwanz ein­er dik­ta­torisch auftre­tenden Katze abbeißt, flücht­en bei­de in den Grimmwald. In freier Wild­nis erwarten bei­de Aben­teuer ganz ander­er Natur.

Nadia Shireen hat ein mod­ernes, witziges Märchen geschrieben, für alle Kinder, die Geschicht­en gegen dem Strich lieben. Die Geschichte ver­heim­licht nicht die Grausamkeit­en, die in der Natur vorkom­men, bet­tet diese aber in eine unter­halt­same, span­nende Geschichte ein, durch die die Kinder sich­er geführt wer­den. Nichts für Angsthasen, aber dur­chaus für aufgeschlossene Kinder ab 5 Jahren geeignet.

Die CD zum Buch ist bei der Stadt­bücherei Ibben­büren auslei­h­bar.

Wer schon mal wie ich im Bücher­laden war und nur zu hören bekam, was verkauft wer­den sollte, nicht, was man wohl gut für Drei­jährige im Büch­er­schrank gebrauchen kann, der ken­nt den Frust in so ein­er Sit­u­a­tion. Deswe­gen hier mal eine Liste von Büch­ern in deutsch­er Sprache, die für Kinder ab 3 bzw. 4 Jahren gut funk­tion­ieren.

Zu Bilder­büch­er, die hier vorgestellt wer­den zählen auch Mis­chfor­men, die zur Hälfte aus Text beste­hen. Das Wichtige für Kinder ist aber, dass die Bilder die textlichen Entwick­lun­gen begleit­en. So kann man auch mal sehen, was ger­ade passiert. Und das ist span­nend und witzig.

Für unter 2‑jährige eignen sich diverse Büch­er, die hier nicht beson­ders vorgestellt wer­den, ein­fach weil man da nicht so viel falsch machen kann. Bobo Sieben­schläfer ist da ein Klas­sik­er, auch wenn die Grafiken in den Büch­ern eigentlich nur die der Fernsehserie sind, aber da zün­det die Sym­pa­thie der Kinder.

Bilderbücher ab 3 Jahren

Aprilkind, Bar­bara van den Speul­hof, Stephan Prick­en
Der Groll­troll
Wüten­der Troll muss seine Aggres­sion über­winden, denn er will wieder mit seinen Fre­un­den spie­len. Etwas ansprechen­der für das Alter als das the­ma­tisch ähn­liche Nein­horn.

Klaus Baum­gart
Lauras Stern
Es gibt viele Büch­er und eBooks mit Geschicht­en von Lau­ra und ihrem Stern. Der glitzernde Stern in den gebun­de­nen Aus­gaben ist ein Hin­guck­er. Die Geschichte selb­st ist etwas unspan­nend.

Janosch
Der kleine Tiger und der kleine Bär
“Oh, wie schön ist Pana­ma”, “Post für den Tiger”, “Ich mach dich gesund, sagte der Bär” und “Komm, wir find­en einen Schatz” funk­tion­ieren dank ihrer langsamen Erzählweise nach wie vor pri­ma.

Jonathan Emmett
Fang den Mond, klein­er Molle / Was leuchtet in der Nacht?
Eines dieser Büch­er, die unter zwei Titeln erschienen sind, ohne dass sich der Inhalt verän­dert hat, ist dieses 20 Jahre alte kleine Juwel: Ein Maulwurf will den Mond vom Him­mel holen, was Eich­hörnchen, Igel und Hase wohlwol­lend begleit­en. Die verge­blichen Ver­suche an den Mond ran zu kom­men, kann man sprach­lich ausklei­den, so dass sich Kinder über die Geschichte scheck­ig lachen und oft wieder vor­lesen wollen.

Roger Har­g­reaves
Unsere Hol­li Holus­pokus
Lei­der nur noch anti­quar­isch zu bekom­men, ist dieses kleine Taschen­buch. Die “Lit­tle Miss/ Lit­tle Mister”-Reihe von Har­g­reaves ist neu über­set­zt wor­den, dabei ist aber der Witz kom­plett flöten gegan­gen. Deswe­gen ist dieses alte Schätzchen sehr zu empfehlen.

Wern­er Holzwarth, Wolf Erl­bruch
Vom kleinen Maulwurf, der wis­sen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat.
Klein­er Exkreme­teklas­sik­er. Danach ist das The­ma aber auch erst­mal gut durch­le­sen.

Sven Nordqvist
Pet­ter­son und Find­us
Diverse Büch­er aus dieser Rei­he sind alle­samt empfehlenswert. Es gibt auch einen Jubiläums­band mit vier Geschicht­en, der ist unterm Strich etwas gün­stiger. Dazu gibt es zwei Trick­film­se­rien und drei Ver­fil­mungen.

Dirk Schmidt, Bar­bara Schmidt
Kam­fu mir helfen?
Lustiges Gedicht über die Reper­a­tionsver­suche eines Ele­fan­ten mit gekrümmter Nase. Die beste Ver­to­nung stammt von Har­ry Rowohlt.

Lene März, Bar­bara Scholz
Hal­tet den Dieb!
Bebilderte Ver­fol­gungs­jagd in Reimem, hat ein inter­es­santes Tem­po, dass sich durch das Buch zieht.

Annette Tison, Talus Tay­lor
Ein Tag mit Fam­i­lie Bar­ba­pa­pa
Die ver­schiede­nen Mit­glieder der Tropfen­fam­i­lie wer­den vorgestellt und man taucht so in eine andere Welt ein. Funk­tion­iert.

Bilderbücher ab 4 Jahren

Hans de Beer
Klein­er Eis­bär — Bilder­buchgeschicht­en
Eis­bärengeschichte mit unter­schiedlichen Tieren in Eis­land­schaft.

Max Kruse, Gunter Jack­obs
Bildergeschicht­en­buch von Urmel
Zwei Geschicht­en mit Urmel, die schön bebildert sind. Das exo­tis­che Ambi­ente ist mal was anderes.

Oliv­er Jef­fers
Der Weg nach Hause
Junge find­et im Klei­der­schrank Flugzeug, fliegt ins All, dort geht ihm der Sprit aus, Not­landung auf dem Mond wie ein Mar­sian­er. Läuft.

Satoshi Kita­mu­ra
Katertag
Auch schon so 20 Jahre alt ist diese Klein­er-Junge-und-Kater-Ver­sion von Freaky Fri­day. Den Rol­len­tausch von Kind und Kater find­en Kinder, ger­ade die, die Katzen ken­nen, lustig.

James Krüss
Der Reisepudel Archibald
Ger­ade in ein­er sehr schö­nen Neuau­flage erschienen ist dieser Klas­sik­er, dessen Reime immer noch Witz ver­sprühen.

Leo Lion­ni
Fred­er­ick
Bleiben wir bei den Klas­sik­ern: Auch die poet­is­che Geschichte um eine Maus, die Nature­in­flüsse sam­melt statt Nahrung, inter­essiert Kinder immer noch. Emp­fohlen sei die Lesung des Werkes von Hen­ning Venske, die sprach­lich etwas bess­er ist.

Lisa Mantchev, Taee­un Yoo
Ele­fan­ten ver­boten!
Schön bebilderte Geschichte um selt­same Haustiere und Ablehnung.

Axel Schef­fler, Julia Don­ald­son
Der Grüf­fe­lo
Klas­sik­er, der oft schon unter vier Jahren gele­sen wird, insofern ken­nen viele Kinder die Geschichte um Maus und Mon­ster, aber die Wen­dung der Geschichte ver­ste­hen sie kaum.

Jakob Mar­tin Strid
Die unglaubliche Geschichte von der Riesen-Birne / Herr Rumpelpumpel fliegt weg
Schön schräge Geschicht­en aus Däne­mark. Die zweite Geschichte von Her­rn Rumpelpumpel am besten zuerst lesen, dann ist das erste Buch eine passende Steigerung der Erwartun­gen an die Geschichte.

Man kann kleinen Kindern schon früh Büch­er geben. Sie ler­nen schnell, dass es um das Umblät­tern geht, dass Dinge auf irgendwelchen Seit­en zu find­en gibt, dass es irgend­wie von links nach rechts weit­er geht — eigentlich schon eine ganze Menge. Und dazu kom­men auch Büch­er in Betra­cht, die inhaltlich erst für 2–3jährige gedacht sind.

Nadia Bud­de — Eins zwei drei Tier ⚓⚓⚓
Inzwis­chen wohl schon sowas wie ein Klas­sik­er. In vier Schrit­ten und mit Endreim wird hier von links nach rechts an Tieren zum Leser ent­langge­hangelt, was wohl in der Sys­tem­atik die Kinder dur­chaus inter­essiert. Die schrä­gen Zeich­nun­gen sind eher für Erwach­sene irri­tierend. Unser Testkind erkan­nte den Hund auf Anhieb.

Nathalie Choux — Mein erstes Buch vom Meer ⚓⚓
Zusam­men­hang­los wird hier mit bun­ten Bildern auf das Meer ver­wiesen, erin­nert etwas an Vok­a­beller­nen. Das Buch ist nicht son­der­lich spielerisch, erin­nert Kinder manch­mal an Klap­pen­büch­er, weswe­gen an Din­gen geris­sen wird, die an Klap­pen erin­nern.

Guy Davis — Win­nie Puh Gute-Nacht-Geschicht­en  ⚓⚓
Dicke Seit­en, bunte Bilder, nette Geschicht­en.

Griesham­mer, Oliv­er — Hör mal rein, wer kann das sein? ⚓⚓
Kurzes Buch mit Bildern von Tieren und Geräuschen, die manch­mal kaum an das Tier erin­nern. Kinder erscheck­en vor sowas manch­mal zu Beginn.

Hansen, Chris­tiane; Grimm, S. — Bist du meine Mama?  ⚓⚓
Buch mit Klap­pen, das graphisch nett auf­bere­it­et ist, allerd­ings nur dünne Klap­pen hat, die schnell reißen.

Hägele, Annegret — Meine lieb­sten Märchen zur Guten Nacht  ⚓⚓
Grafisch sehr ansprechende, klas­sis­che Märchengeschicht­en.

Schaumer­mal — Was ist das? Die Tiere  ⚓⚓
Schönes Tier­fo­to­buch mit dick­en Seit­en.

Leo Lause­maus, was erleb­st du in der Stadt? 
Draußen lauern gefahren, daheim ist es viel sicher­er. Merk­würdi­ge Lehre in diesem in Com­ic Sans gehal­te­nen Buch mit dick­en Seit­en.

Gui­do van Genecht­en — Klitzek­lein oder riesen­groß? /  Maya Geys und Frauke Weldin — Baden plan­schen, Haare waschen / McK­ee, David — Elmar und die Far­ben  ⚓⚓
Unka­put­tbare Büch­er, was Kinder dann auch austesten. Die Geschicht­en haben weniger das Inter­esse der Kleinen.

Völk­er, Ker­stin — Die lieben Sieben: Draußen 
Buch mit dick­en Seit­en, bunt, aber sim­pel gehal­ten.

Wer immer ger­ade Eltern wird, der ken­nt das Prob­lem, dass man unver­hofft auf das ange­bliche Prob­lem gestoßen wird, dass der eigene Nach­wuchs etwas nicht so schnell kann wie andere Kinder. Und für so ein Prob­lem gibt es diverse Rat­ge­ber und Hil­fe­grup­pen, in denen die Kleinen vor Her­aus­forderun­gen gestellt wer­den, bei denen sowohl das Ziel als auch der Erfolg unklar ist. Wolf­gang Bergmann stellt in seinem witzi­gen, aber auch nach­den­klichem Paphlet genau diesen Opti­mierungswillen in Frage.

Dazu passend: Deine Fre­unde — Klein sein

Davide Moro­siot­to war bere­its 2018 für den Deutschen Jugend­buch­preis mit dem Roman Die Mis­sis­sip­pi-Bande nominiert und kann mit diesem Nach­fol­ger prob­lem­los als Anwärter für den diesjähri­gen Preis gehan­delt wer­den.

Morosinot­tos neuer Roman han­delt von den Zwill­in­gen Vik­tor Danilow und Nad­ja Danilowa, die in den Wirren des Zweit­en Weltkrieges beim Bestreben Leningrad zu ver­lassen, von einan­der getren­nt wer­den. Bei­de führt ihre Odyssee zurück in die Nähe Leningrads, das durch die Belagerung der Deutschen Wehrma­cht, die die Stadt auszuhungern ver­sucht, immer inten­siv­er von Krieg und Tod geze­ich­net wird.

Dem ital­ienis­chen Schrift­steller gelingt es durch sein fes­sel­ndes Erzählen Jugendlichen mit ein­er dauernd todesna­hen Aben­teuergeschichte einen inter­es­san­ten Zugang zu einem schw­er ver­ständlichen und ver­stören­den Teil der Welt­geschichte zu leg­en.

Ob der auch durch viele Grafiken optisch und inhaltlich aufgew­ertete Roman schon für 12-jährige geeignet ist, wie der Ver­lag annimmt, soll­ten wohl Eltern selb­st über­denken, denen die Lek­türe hier­mit auch ans Herz gelegt wird.

Davide Morosinot­to: Ver­loren in Eis und Schnee. Die unglaubliche Geschichte der Geschwis­ter Danilow. Erschienen als gebun­dene Aus­gabe bei Thiene­mann und als Hör­buch bei cbj audio.

Der Muff-Pot­ter-Front­mann Thorsten Nagelschmidt erin­nert sich halb­bi­ographisch als Schrift­steller an den Som­mer 1999 in Rheine, als er ein eher ambi­tion­slos­es Mit­glied ein­er Band ein­er west­fälis­chen Kle­in­stadt war. Er schildert ein soziales Umfeld, das ohne eigene Vision herumpröd­delt und in den Tag lebt, beschreibt Auftritte mit der Band (u.a. in der Ibben­büren­er Sche­une), die Schwierigkeit des Abschieds von der Fre­undin, die ihn ver­lässt. Mit 30 kommt der Bruch und ihn zieht es nach Berlin, wo er ver­traut mit der Stadt und sein­er Umge­bung, aber nicht heimisch wird und mit 39 immer noch nichts in die Rentenkasse gezahlt hat.

Mitunter erzählt Nagelschmidt die Zeit lahm, ober­fläch­lich sowie ziem­lich wit­z­los und keine der beschriebe­nen Per­so­n­en kommt dem Leser nahe. Er ist aber mitreißend scho­nungs­los, wenn er Wegge­fährten zu einem mis­s­rate­nen Auftritt sein­er Band sprechen lässt und was die ersten Zeichen des Alterns ange­ht, als der Friseur ihm die Augen­brauen rasiert. Das alles ergibt einen authen­tis­chen und wohl bish­er einzi­gar­ti­gen Blick auf eine Szene in Rheine vor bald 20 Jahren, die auch schon wieder unterge­gan­gen ist.

Auf Lese­tour ist er u.a. am 29.09.2018 in der Stadthalle in Rheine und am 11.11.2018 im Haus der Jugend in Osnabrück.

Im Zuge der Ver­fil­mung dieses Buch­es gibt es in Deutsch­land aktuell eine Neuau­flage dieser 10 Jahre alten Geschichte. Sie han­delt von Han­nah Bak­ers Lebens­geschichte. Sie ist eine Her­anwach­sende, die unter Demü­ti­gun­gen ihrer Umwelt lei­det und meint, keine Fre­und­schaften zu haben. Völ­lig verzweifelt wen­det sie sich an Ver­trauensper­so­n­en, ohne sich zu öff­nen, und wählt schließlich den Fre­itod. Wie es dazu kam, erzählt sie auf 7 Kas­set­ten, die sich an die Leute richt­en, die ihrer Mei­n­ung nach wesentlichen Anteil an ihrem Leben hat­ten.

Selb­st­mord ist ger­ade bei Jugendlichen ein schwieriges The­ma, weil es möglicher­weise den Selb­st­mord als gute Möglichkeit, einen Ausweg für Prob­leme zu find­en, erscheinen lässt. Insofern sollte man mit Jugendlichen im Gespräch bleiben, die sich the­ma­tisch hier­mit beschäfti­gen. Dieses Buch macht aber sehr gut die Bedrück­un­gen klar, unter denen Her­anwach­sende heutzu­tage lei­den.